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30 Jahre nach dem Mauerfall –„ostdeutsche Herkunft“ ist nicht diskriminierend

Die Unterschiede zwischen Ost und West sind auch 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer immer noch spürbar. Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner ostdeutschen Herkunft stigmatisiert, benachteiligt ihn dies nicht wegen seiner ethnischen Herkunft oder Weltanschauung. So jedenfalls das Arbeitsgericht Berlin in einer kürzlich ergangenen Entscheidung.

 

Der Fall:

Der Kläger war als stellvertretender Ressortleiter in einem Zeitungsverlag beschäftigt. Er nahm seinen Arbeitgeber auf Entschädigung, Schadenersatz und Schmerzensgeld nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch, weil er von zwei vorgesetzten Mitarbeitern wegen seiner ostdeutschen Herkunft gedemütigt und insbesondere in Anwesenheit von weiteren Mitarbeitern z.B. in Redaktionssitzungen als „dummer Ossi“ vorgeführt worden sei.

 

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Es liegt keine Benachteiligung des Klägers wegen seiner ethnischen Herkunft oder Weltanschauung vor. Menschen mit einer Herkunft aus der ehemaligen DDR sind nicht Mitglieder einer ethnischen Gruppe oder Träger einer einheitlichen Weltanschauung. Dies aber ist die Voraussetzung von Ansprüchen nach dem AGG. 

 

Die Konsequenz:

Menschen ostdeutscher Herkunft sind nicht Mitglieder einer ethnischen Gruppe. Ein anderes Verständnis wäre ohne Vorbild im europäischen Recht und den internationalen Vereinbarungen. Auch sind Menschen ostdeutscher Herkunft nicht Träger einer einheitlichen Weltanschauung, denn trotz des repressiven Staatssystems der DDR gab es Menschen mit unterschiedlichen und nicht staatstragenden Ideologien, was nicht zuletzt durch den Fall der Mauer und der nachfolgenden Wiedervereinigung belegt wird. 

In Betracht kommt allenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen einer Persönlichkeits- oder Gesundheitsverletzung. Diesbezüglich ist aber eine qualifizierte Dokumentation der Verstöße erforderlich (sog. Mobbing-Tagebuch). Einen solchen Anspruch hat das Arbeitsgericht vorliegend deswegen verneint, weil der Kläger seinen Arbeitgeber nicht rechtzeitig auf das Verhalten seiner Vorgesetzten und die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens – es waren über 800.000 Euro im Streit – aufmerksam gemacht hat. Das Mitverschulden des Klägers an dem (einmal unterstellten) Schaden wog danach derart schwer, dass eine Ersatzpflicht des Arbeitgebers ohnehin entfallen wäre.

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